„But is Southeast Asia real or invented?“ (S. 1)

Mit dieser bezeichnenden Frage beginnt Robert L. Winzeler* sein englischsprachiges Buch „The peoples of Southeast Asia today – Ethnography, ethnology, and change in a complex region“. Jede Region der Welt – ob Lateinamerika, Europa oder Südostasien – sei ein kulturelles Konstrukt, da sie von Menschen definiert werden, und sich durch die dort herrschenden Praktiken, sowie Glaubensvorstellungen, voneinander unterscheiden. Zu der Region Südostasien zählt Winzeler die Nationalstaaten Timor, Singapur, Brunei, Vietnam, Laos, Burma/Myanmar, Kambodscha, Thailand, Malaysia, Indonesien und die Philippinen. Geographisch unterteilt Robert L. Winzeler Südostasien, um der dort herrschenden Diversität gerecht zu werden, noch einmal in Festland- und Inselsüdostasien. Auf dem Festland gibt es, grob definiert, Unterschiede zwischen den Bewohner_innen des Hoch- und des Tieflandes. Diese Differenzen werden in Inselsüdostasien durch die Gegenüberstellung der Küsten- und Inlandbevölkerung widergespiegelt.

Obwohl das Buch seinen Fokus auf zeitgegenwärtige Praktiken im heutigen Südostasien legt, nehmen Traditionen und allgemein geschichtliche Entwicklungen einen großen Raum ein: Die Vergangenheit ist nach wie vor sehr präsent und hat wesentlich dazu beigetragen, die heutige(n) Gesellschaft(en) zu formen. Der Titel des Buches führt daher ein wenig in die Irre, jedoch stieß diese Schwerpunktsetzung bei mir als sich für Geschichte begeisternden Menschen auf positive Überraschung. Für jemanden, der einen weniger geschichtlichen Kontext erwartet, empfiehlt sich dieses Werk Robert L. Winzelers eher nicht, wobei es schwierig bis unmöglich erscheint, Südostasien außerhalb dieser geschichtlichen Einbettung zu denken. Der Autor interessiert sich vor allem für das Thema Religion, was sich an der Verteilung der Kapitel erkennen lässt, da drei der zwölf Kapitel dieser Thematik gewidmet sind.

Robert L. Winzeler führt anschaulich in die Region und die Bewohner_innen Südostasiens ein. Der Sprachstil ist wissenschaftlich, jedoch gleichzeitig anschaulich und auch für Nicht-Muttersprachler_innen der englischen Sprache gut verständlich. An mancher Stelle bedarf es einigen Hintergrundwissens, um Winzelers Ausführungen folgen zu können, weil Südostasien und seine kulturellen Gruppen überaus vielschichtig sind. Ich würde vorschlagen, entweder Expert_innen – im universitären oder privaten Rahmen – hinzuzuziehen, um die Lektüre des Werks zu unterstützen. Als eine weitere Möglichkeit zu einem tiefgreifenderen Verständnis von Winzelers Erläuterungen zu gelangen, bietet es sich außerdem an, Einführungswerke über die politische sowie wirtschaftliche Situation in Südostasien zu lesen. Hierbei sollte man insbesondere berücksichtigen, dass Nationalstaatsgrenzen in Südostasien nicht gleichzusetzen sind mit ethnischen Gruppen, einige leben beispielsweise in China oder verteilen sich auf mehrere südostasiatische Staaten.

Ich habe die Lektüre des Buchs als sehr bereichernd empfunden und viele neue Erkenntnisse gewonnen, allerdings bin ich mir sicher, dass hierzu maßgeblich beigetragen hat, dass ich als mit dem Thema (noch) nicht vertraute Person Unterstützung durch fachlich kompetente Menschen erhielt. Überwiegend fand ich die Auswahl der Kapitelthemen durch den Autor interessant und hatte bis auf wenige Fachwörter auch keinerlei Probleme mit dem Verständnis des verwendeten Englisch. Das Buch „The peoples of Southeast Asia today -Ethnography, ethnology, and change in a complex region“ von Robert L. Winzeler würde ich dementsprechend jederzeit weiterempfehlen.

Lea Hennrich hat „The peoples of Southeast Asia today -Ethnography, ethnology, and change in a complex region“ im Kurs „Grundlagen der Ethnologie Südostasiens“ gelesen. Der Kurs ist Teil des Wahlpflichtmoduls „Ethnologie Südostasiens“ der Abteilung für Südostasienwissenschaft an der Uni Bonn.

*Robert L. Winzeler wurde am 25. Februar 1940 geboren. Er promovierte in Anthropologie an der Universität Chicago und ist emeritierter Professor im Fach Anthropologie an der Universität von Nevada in Reno. Seine Forschungen im südostasiatischen Raum begannen in den 1960er Jahren. Außerdem ist er Autor und Herausgeber mehrerer Bücher: „The peoples of Southeast Asia today -Ethnography, ethnology, and change in a complex region“ wurde erstmals 2010 veröffentlicht.